Travessia Petropolis - Teresopolis in der Serra dos Òrgãos

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Die Crew (2 kamen spaeter noch hinzu)
Die Crew (2 kamen spaeter noch hinzu)

Prolog I: Seitdem ich in Brasilien lebe, habe ich hier ca. 250 Tauchgaenge absolviert. Von daher kenne ich Brasilien eigentlich besser unter als ueber Wasser... Zwar kenne ich inzwischen neben Rio de Janeiro u.a. auch Buzios, Fernando de Noronha, Fortaleza, die Ilha Grande, Natal, Recife, Olinda, Porto de Galinhas, Sao Paulo, und ich habe in Rio (mit dem fantastischen Guide Felipe Rocha) auch bereits etliche Wanderungen unternommen (u.a. Bico do Papagaio, Corcovado, Morro da Urca, Pedra Bonita, Pico da Tijuca) - dennoch, irgendwie blieb da ein Ungleichgewicht. Und das haette eine ganz besondere Wanderung beheben koennen - eine, die eine der schoensten Brasiliens sein soll (ich hatte unglaublich schoene Fotos gesehen...), - die Travessia von Petropolis nach Teresopolis in der Serra dos Órgãos.

Aber Felipe meinte, aufgrund meiner ausgepraegten Hoehenangst waere ich noch nicht bereit dazu. Dann, ca. Anfang Juni, meinte er, es sei noch ein Platz bei der Wanderung Anfang Juli frei, und den wuerde er fuer mich freihalten...

Beginn der Travessia
Beginn der Travessia

Prolog II: Zweimal hat mir mein Freund Felipe im Zentrum von Rio bei der Zusammenstellung meiner Ausruestung geholfen: Dickprofilige = extrem rutschfeste und dazu noch wasserabweisende Wanderschuhe, dicke Socken, ein Schlafsack, eine dicke Wollhose (fuer nachts), ein High-Tek-Handtuch (Mikrofasertechnik = extrem klein/leicht, aber auch extrem saugfaehig und schnell trocknend), ein Teleskop-Wanderstab (bzw., wie es sich spaeter herausstellte, tatsaechlich quasi ein drittes Bein), einen Wassersack, Wollhandschuhe (in 2000 m Hoehe ist nichts mehr mit ¨tropical Brasil...) und schliesslich einen bequemen Rucksack, der gut und gerne 10 kg verpacken konnte. Der Preis fuer die Exkursion sei sehr guenstig gewesen, vericherten mir Bekannte, aber die Ausruestung. Mann o Mann... Aber ohne waer´s nicht gegangen!

 

Und dann gab´s noch die Anweisungen fuer die Vorbereitungswoche, die von Ernaehrungstips ueber Angabe der notwendigen Schlafmenge ueber Vitamin-C-Tabletten bis hin zur Fussnagelpflege 2 Tage vor Beginn der Expedition reichten. Reichte...

 

War aber auch sinnvoll und notwendig!!!

 

Freitag, 06.07.2012

Natur pur...
Natur pur...

Und dann ging´s los. Und bereits der Beginn war voellig ungewoehnlich... Um 3:30 Uhr liess ich mich von einem Taxi von dem Stadtteil Botafogo, in dem ich wohne, zum Platz Largo de Machado in Flamengo fahren. Dort traf ich auf Eduardo aus Jacarepagua (ich werde den Namen nie aussprechen koennen und wahrscheinlich ist er auch mal falsch geschrieben...), einen weiteren Teilnehmer an der Travessia, und puenktlich (!!!) um 4 Uhr holte uns Alexandre ab, um uns zur Nachbarstadt Niteroi bzw. zum Haus des Guias Felipe zu fahren. Was ich bis heute nicht verstehe: Er hatte die Tour mitmachen wollen und deshalb angeboten, uns mitzunehmen. Aber aus beruflichen Gruenden konnte er nicht teilnehmen, hat uns aber trotzdem nach Niteroi gefahren und fuhr danach wieder zurueck nach Rio, um zu arbeiten...!!!

 

Manchmal ticken die Uhren in Brasilien echt anders, als in Deutschland - aber so was von anders...

Felsen
Felsen

Ein Van holte uns ab, gabelte unterwegs noch weitere Teilnehmer und und am Ende waren wir 10 - Guide und Chef des initiierenden Touristik-Unternehmens EFE-Tour Felipe, seine Freundin Amanda, der Fuehrer Geovane des Nationalparks, 3 Bekannte (Alvaro, Claudio und Eduardo) sowie 3 neue Teilnehmer (A, Bruno und Ingrid), insgesamt also 10 Personen.

 

Wir starteten um 9 Uhr und stiegen 7 Stunden lang nur bergauf. In einem tropischen Regenwald, dessen Wege nicht gerade einem Sonntagnachmittags-Ausflug in den Alpen entsprechen, nicht ohne...

 

Hatte ich noch bei den vorbereitenden Wanderungen ein wenig darueber gelaechelt, dass einige Teilnehmer einen Wasserbeutel in ihrem Rucksack hatten, von dem ein Schlauch herunter hing und wn dem sie ab und zu ¨nuckelten¨, so begann ich die Bedeutung dieses Ausruestungsteiles sehr schnell zu verstehen. Bei der extremen Belastung, die eine Wanderung unter den hiesigen klimatischen Bedingungen darstellt, wird einem sehr schnell der Mund trocken. Nur ein oder zwei Schlucke Wasser reichen aus, um die naechsten 10 Minuten durchhalten zu koennen. Dafuer den Rucksack (der aufgrund seines Gewichtes ein wenig mehr gesichert/befestigt ist, als ein in D. ueblicher) ab- und wieder anzuschnallen, wuerde die Gruppe auf Dauer doch heftig nerven, zumal nicht jeder zur selben Zeit Durst bekommt...

 

 

 

 

1. Huette
1. Huette

 

Im Blockhaus angekommen, stellte sich die Frage, ob man kalt oder (fuer 10 RS = 4 Euro) warm duschen wolle. Ich war derart durchgefroren, dass ich mich als ¨Weich-Ei¨zu erkennen gab. Nicht zuletzt, weil derjenige, der vor mir geduscht hatte, auf die Frage, wie es gewesen sei, geantwortet hatte, ¨vale cada Real¨= war jeden Real wert...

 

 

Die Nacht war uebel: Fuer bras. Verhaeltnisse rattenkalt (ca. 5 Grad, und trotz Wollhose, 2 Paar Socken, 2 T-Shorts, Steppjacke , Handschuhe und (hier halt sehr duennem) Schlafsack fror ich die ganze Nacht. Dazu der Laerm der ca. 20 Leidensgenossen, die auf dem Dachboden der Blockhuette vor sich hin schnarchten. Nebenbei: Dass ich, seitdem ich 20 war, nicht mehr so ganz problemlos nur auf einer Iso-Matte schlafen kann, ist mir in dieser Nacht und vor allem am naechsten Morgen im woertlichen Sinne wieder schmerzlich bewusst geworden... War ich geraedert...

Der Sonnenuntergang war spektakuaeer, aber die Nacht war uebel: Fuer bras. Verhaeltnisse rattenkalt (ca. 5 Grad, und trotz Wollhose, 2 Paar Socken, 2 T-Shorts, Steppjacke , Handschuhe und (hier halt sehr duennem) Schlafsack frot ich die ganze Nacht. Dazu der Laerm der ca. 20 Leidensgenossen, die auf dem Dachboden der Blockhuette vor sich hin schnarchten. Nebenbei: Dass ich, seitdem ich 20 war, nicht mehr so ganz problemlos nur auf einer Iso-Matte schlafen kann, ist mir in dieser Nacht und vor allem am naechsten Morgen im woertlichen Sinne wieder schmerzlich bewusst geworden... War ich geraedert...

Samstag, 07.07.2012

Panorama (durch Anklicken vergroesserbar)
Panorama (durch Anklicken vergroesserbar)

Und dann kam der 2. Tag - der, vor dem mich Felipe schon etwas gewarnt hattte: Es koennte sein, dass ich mich an drei Stellen etwas aengstigen koennte... Fuer eine davon hatte er Vorrichtung gertroffen, um mich ggf., anzuseilen.

 

Das Programm war klar: 7 bis 8 Stunden lang nur hoch und runter (= 4 Morros / Huegel) - mit 9 kg. Rucksack und 3 kg. Kamera...

 

Zum Glueck halfen mir Felipe und Claudo wie versprochen bei den schwierigsten Stellen, indem sie mir die Kamera abnahmen und sogar einmal

- als es mir psychisch voellig dreckig ging - auch meinen Rucksack! (Habe ich mich geschaemt...!!!).

 Aber es ging nicht anders. Selten habe ich den Begriff ¨Teamarbeit¨ so gut verstanden, wie an diesem Tag... Ihr ward klasse, GENTE!!!

 

 

 

 

Eine ca. 4-500 m langen, 45 Grad geneigte Felswand herunter zu gehen, ohne sich irgendwo absichern zu koennen (das Bild ist nicht identisch mit der gemeinten Stelle), war die leichteste Uebung (nicht zuletzt wegen der extrem rutschfesten Schuhsohlen sowie eines Teleskop-Stockes, der quasi wie ein drittes Bein wirkte). Nur als die Neigung irgendwann ca. 60 Grad betrug, war´s mit meinem Mut zu Ende und ich muss gestehen, dass Felipe und sein Freund Claudio (die beide senkrechte Waende des hoechsten Schwierigkeitsgrades hochklettern) mich quasi links und rechts in den Arm genommen haben.

Die 2. Uebung sah eigentlich einfach aus - an Eisenklammern eine Wand (ca. 80 Grad Neigung) hochklettern (Felipe nannte die Stelle den Fahrstuhl, weil ich kurz zuvor nach einem verlangt hatte). Aber - zum einen fehlten hin und wieder Klammern, so dass selbst ich kaum die uebernaechste Klammer mit den Haenden erreichen konnte, zum zweiten war der Weg nicht gerade, und man musste sich auch schon mal weit nach links oder rechts recken, um weiterzukommen, zum dritten meinte man wohl an einigen Stellen, hier ging´s auch ohne Klammern (ich war da anderer Meinung - obwohl - irgendwie ist es ja dann doch gegangen) und viertens hatte ich nach ca. 50 Klammern keine Kraft mehr (9 kg. Gepaeck) und wusste wegen des gebogenen Verlauf des Weges nicht, wieviel noch zu erklimmen sein wuerden... Es waren insgesamt ca. 70, und irgendwie habe ich es geschafft...

Die 3. Stelle war noch uebler - Felipe nannte sie ¨Mergulho¨= Tauchen, weil wir uns nach dem Herunterrutschen an der Felswand ca. 1 1/2 m herunterlassen und umdrehen mussten, Gesicht zur Felswand, wo wir uns an einem Seil festhalten konnten, mit den Fuessen einen ca. 3 cm grossen Vorsprung ertasten und uns darauf fortbewegen mussten (man sieht noch jemanden rechts von der Person mit dem weissen t-Shirt und dem blauen Kopftuch). Am uebelsten war die ausgegebene Anweisung: AUF KEINEN FALL NACH UNTEN SEHEN ...

Das anschliessende Absteigen mit Hilfe eines mit Schlaufen versehenen Seiles war dagegen quasi ein Kinderspiel...

Und dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter wollte (konnte). Das Bild mag ja noch harmlos aussehen, aber nach einer ca. 6-stuendigen Tour mit 13 kg. Gepaeck (bzw. 9, wenn mir die Kamera abgenommen wurde), in der es bereits 3 Berge hoch- und wieder heruntergegangen war, war ich schon reichlich ausgepowert, und links von dem querliegenden Stein ging es mehrere Hundert Meter senkrecht nach unten... Das Gesicht von Felipe, der im Vordergrund auf mich einredete, zeigt, dass er von meiner Weigerung nicht gerade erfreut gewesen war... Aber zurueck ging´s auch nicht - nochmal 6 Stunden??? Und die bisherigen Hindernisse waren in umgekehrter Richtung noch schwieriger!

WAS NUN ? ? ?  Hatte ich (im Vordergrund rechts) jemals in meinem Leben schon einmal solch eine Angst gehabt???

Aber ich hatte nicht umsonst Felipe, den ich schon von 5 oder 6 Wanderungen her kannte, bedingungslos vertraut: Er hatte - nur fuer mich - ein Geschirr mitgenommen, mit dem ich (Mitte) angeseilt und gegen einen Absturz gesichert wurde. Eigentlich haette ich die Sache voellig beruhigt in Angriff nehmen koennen. Ging aber nicht so ganz... Letztlich hadelte ich einen ordentlichen Kompromiss heraus - wenn ich meine Angst ueberwinden und es tatsaechlich wagen wuerde, muesste er sich bereit erklaeren, mit mir ein Mal tauchen zu gehen (davor hat Felipe naemlich tierische Angst...). Voellig ueberraschend fuer mich stimmte er zu, und ich war in Zugzwang...

Um mir selber Mut zu machen, hatte ich noch gefragt, ob der Weg nach dieser Passage ruhig (tranquilo) weiter gehen wuerde, und meine Frage wurde bejaht. Irgendwie habe ich es dann geschafft - von hinten geschoben, von oben gezogen (das war allerdings bei allen anderen auch nicht anders, aber sie waren eben ohne die Sicherungsleine...). Und dann kam der Hammer - der Weg ging aehnlich schwierig weiter. - Kurz vor dem 4. Gipfel war ich psychisch so fertig, dass man mir neben der Kamera auch noch meinen Rucksack abnahm... 

Die Abzweigung zu den letzten 100 m bis zum Gipfel wollte ich nicht mehr nehmen und auf die Gruppe warten, aber nach ca. 5 Minuten war diese Psycho-Attacke vorueber, ich ging mit und erlebte mit der Gruppe wunderschoene Momente in ueber 2000 m Hoehe.

Maluco (verrueckt) I:

 

Am Ende dieses extrem strapazioesen Tages, der mich bis an die Grenzen  meiner physischen, aber auch psychischen Leistungsfaehigkeit und darueber hinaus gefordert hat, meinten einige der Crew, sie muessten sich noch im Liegestuetzen-Wettkampf messen - Kopf bergabwaerts...

 

Maluco II: Als wir gegen 20 Uhr alle (bzw. fast alle...) erschoepft in unseren Schlaefsaecken lagen, kam der Guide des Parks Giovanne noch kurz vorbei - in voller Montur mit Rucksack! Er wuerde zurueck zur ersten Huette gehen, haette von dort eine andere Grupppe zu fuehren (und noch 2 weitere in der Woche), der Rest waere ja einfach fuer uns... 

 

Sonntag, 08.07.2012

Panorama (durch Anklicken vergroesserbar)
Panorama (durch Anklicken vergroesserbar)

Felipe hatte mir versprochen, DASS wuerde mein Tag werden. Und tatsaechlich - nach einem unglaublichen Sonnenaufgang bestand der Tag ¨nur¨ aus einem 4-stuedigen Abstieg (was taten mir die Zehen weh!!!) und ich konnte sehr viel biologisch interesantes Material fotografieren!

 

 

Biologische Exkursion I...

...Teil II...

... und Teil III - und es gab noch so vieles mehr zu sehen!!!

 

 

 

 

 

 

 

Die letzten 15 Minuten machte der troische Regenwald dann dochnoch seinem Namen alle Ehre, aber angesichts der Vorhersage konnten wir nur gluecklich und seelig sein. - Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie wir die Travessia  (Durchquerung) bei Regen haetten bewaeltigen sollen!!!

 

Ach ja, wer nachrechnet, stellt eine Diskrepanz zwischen der Zahl der Teilnehmer zu Beginn und am Ende der Wanderung fest. Bisschen Verlust gibt´s halt ueberall...

Weitere Fotos von dieser einzigartigen Expedition werden folgen.